Wir alle haben eine tigerartige Anlage, so wie wir eine himmlische haben, und wenn die tigerartige nicht geweckt wird, so meinen wir, sie sei gar nicht da, und es herrsche bloß die himmlische. Der größte Mann widersteht nur dem geweckten Tiger und läßt ihn nicht reißen, während der Schwache unterliegt und rasend wird.
(Adalbert Stifter, aus: "Zuversicht")
1.
Nachricht 8: Park’ dein Auto nicht vor meiner Tür, du Arschloch, sonst mach’ ich dich fertig! Sonntag, 6.26 Uhr.
2.
Nachricht 9: Und wenn ich mein’ "fertig", dann mein’ ich "fertig", da wirst du dich nie wieder von erholen, mein Schätzchen. Also park’ dein Auto woanders, oder du bist hin! Ich sag’s dir, ???, Paß auf dich auf, und auf deine Familie. Tschüß. Sonntag, 6.27 Uhr.
3.
Nachricht 10: Hey ???, du wirst dich nie wieder sicher fühlen können. Wer weiß wann es passiert lang, halbes Jahr, Jahr, vielleicht erst 3 Jahre. Fühl dich nie wieder sicher. Tschüß. Sonntag, 6.28 Uhr.
4.
Nachricht 11: Guten Tag, hier ist die Volksbank Darmstadt. Wir müssen Ihnen mitteilen, alle Ihre Konten sind heute aufgelöst worden und abgehoben worden, Sie haben kein Geld mehr. Sonntag, 6.37 Uhr.
5.
Nachricht 12: Überleg’ dir mal einen anderen Anrufbeantwortertext, du Depp. Weißte was, das ist einfach nur ein Spaß. Guck dich im Spiegel an morgen früh, ja, oder jetzt, wenn du das abhörst, und überleg einfach mal, ob du vielleicht nicht mal wieder poppen solltest. Das könnte dich weiterbringen, mein Freund. Tschüßchen. Sonntag, 6.39 Uhr.
6.
Nachricht 13: Wo bleibt denn der Piepton? OK, ähm, was wollt’ ich dir noch sagen? Ach so, du bist doch bestimmt einer mit deinem Namen Alois Bröder, du bist doch bestimmt schon in der Schule gehänselt worden und geschlagen worden, oder, und hast eigentlich nicht wirklich Freunde. Deine Frau möchte’ ich mir auch nicht wirklich angucken. Geschweige denn du hat Kinder, die Armen, naja, aber die können ja nix dafür. Naja, bist halt ein armer Hansel, nee, ein armer Alois. (Lachen) Du bist so depp. Greif dich...au Mann, ich würd’ dich gern mal sehen. Du siehst bestimmt so scheiße aus wie deine Arbeit klingt, oder? Naja, müssen ja deine Freunde wissen. (Pfeifen, Geräusche) Späßchen. Also, viel Spaß mit deinem Leben. Sonntag, 6.40 Uhr.
7.
Nachricht 14: Alois, du Schmalspurmusiker, werf’ deinen häßlichen Arsch mal ans Telefon. (Pause) Auf, zackig! Komm ans Telefon, du Depp! Du bist doch unfähig, äh, überhaupt einen Ton rauszulassen. Ich weiß ja auch nicht, wie du deine Pseudopreise da bezahlt hast, aber in deinem Alter sind die Preise nun auch nicht unbedingt so die Macht, also, würd’ ich mir vielleicht mal überlegen, ob’s vielleicht das Richtige ist oder ob du nicht völlig talentfrei bist. Also such dir doch einfach mal ‚nen Job, oder? Und so wie du aussiehst, probier’s doch mal als Metzger! (Pause) Hm? (Pause) Kannst mich ja zurückrufen, ne, ich bin der Uli, kennst mich noch, von der Musikakademie in Köln. Du bist der, der mir mein Stipendium geklaut hat, ähm, ich weiß nicht, wenn du damit zurecht kommst, ja, ist OK... Sonntag, 6.46 Uhr.
8.
Nachricht 15: Ich kenn’ deinen Arzt, (Pause) und ich weiß, was du letzten Sommer gemacht hast, (Pause) und ich weiß, wo deine Mutter wohnt, (Pause) und dein Vater (Pause) ist tot, (Pause) oder lebt er noch? Ich weiß es gar nicht, den hab’ ich schon lang nicht mehr gesehen. (Pause) Aber deine Mutter, mit der war ich gestern gut zu Gange, mein Freund. Die ist auch nicht mehr so tight wie früher, soll mal ein bißchen Spaß machen, hey, die Alte, die alt’ Fut. Tschüß. Sonntag, 6.48 Uhr.
9.
Nachricht 16: Hallo? (Pause) Hallo! Dienstag, 8.03 Uhr. Ende der Nachrichten.
(Anonyme Drohanrufe, Juli 2009)