Seit langem schon treibt mich die Suche nach einem Opern-Gegenstand um: ein mir schwierig erscheinendes Unterfangen, ist doch bei "großen" Stoffen eine massive Reduktion und Vereinfachung des Gefüges notwendig, um auf der Opernbühne funktionieren zu können. Als ich Nathaniel Hawthornes kurze Erzählung The Wives of the Dead kennenlernte, bemerkte ich schnell, daß sie alle Voraussetzungen erfüllt, die für mich bei einem solchen Projekt wesentlich sind: sie ist weitgehend unbekannt und damit nicht von vorgefertigten Bildern besetzt, ist wenig ausgedehnt und bedarf nahezu keiner Kürzung, ist vieldeutig schillernd, narrativ aufgebrochen und kommt fast ohne interne Erzählungen aus, enthält eine überschaubare Anzahl von Figuren, deren Charaktere kaum individuell ausgeprägt sind, ist frei von historischer Festgelegtheit und somit legendenhaft zeitlos, handelt, ohne ins Dramatische umzuschlagen, von menschlichen Ur-Situationen im Spannungsfeld zwischen Realität und Traum und hat schließlich eine streng-formale, von Symmetrien geprägte Anlage. Eine derart artifizielle Grundkonstellation legitimiert nach meinem Empfinden in besonderer Weise das (sonst fraglose?) singende Artikulieren auf der Bühne, nicht zuletzt im Sinne des berühmten Verses von Welemir Chlebnikov:
Wenn Pferde sterben, schnaufen sie
wenn Gräser sterben, vertrocknen sie