Robert Schumann, der mir, auch als empfindsame und zerbrechliche Persönlichkeit, sehr nahe ist, komponierte im Februar 1854 "Thema mit 5 Variationen" in Es-Dur, die sogenannten "Geistervariationen".
Zu jener Zeit wähnte er sich von Spukgestalten umgeben, die ihm teils "wundervolle", teils "gräßliche" Musik darboten. Er vermeinte Engelsstimmen zu hören, die ihm das choralartige "Tema" schenkten, das er sogleich notierte. Kurz darauf folgte dann sein berühmter Sturz in den Rhein und die Einweisung in die Psychiatrie in Endenich.
In meinem Stück Tema, geschrieben zur 150-Jahr-Feier der Darmstädter Akademie für Tonkunst (zufälligerweise gegründet in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft, nämlich 1852), wollte ich ein Psychogramm entwickeln, bildhaft, gegenständlich, quasi realistisch, Musik über Musik, im Wissen, daß Musik nur abbilden kann, wenn sie sich auf andere bezieht.
In lang gezogenen, allmählich sich verdichtenden Anläufen konstellieren sich die drei ersten Töne des "Temas" immer wieder neu, tasten sich immer mehr an es heran, bis es für einige Takte tatsächlich daraus hervorbricht, sich steigernd davon wie in einem Strudel wieder entfernt und in einer wilden Collage, montiert aus verschiedenen Schumann-Stücken, kulminiert. Übrig bleiben berührende Satzfragmente, die Schumann in diesen Tagen in eines seiner "Haushaltsbücher" eintrug.
Im Verlauf des gesamten Stückes ist, kaum wahrnehmbar, in extremer Höhe tinnitushaft der elektronisch erzeugte Grundton des Variationenwerks zu hören. Gewöhnlich hört ja nur der, der an dieser Krankheit leidet (so etwa Schumann oder auch ich), solche Töne oder Geräusche. Doch dadurch, daß sie für den Rezipienten nun quasi hörbar gemacht werden, taucht dieser gewissermaßen in die Welt eines anderen ein, wird vielleicht zu Schumann und beobachtet mit ihm die Ereignisse wie vom Grund eines Sees aus.

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