Übersetzungen aus dem Slowenischen ins Deutsche sind noch immer rar gesät, und so mußte ich lange suchen, bis ich endlich die "Integrali" von Srečko Kosovel fand, Texte, die mich sofort sehr beeindruckten und denen ich mich nahe fühlte.
Die Zeile "wie brennende Bäume sind wir geneigt in den neuen Tag" erscheint mir symptomatisch sowohl für sein in zerrissener Zeit entstandenes unüberschaubares Werk als auch für sein unfaßbar schnell verglühtes Leben, und in vielerlei Hinsicht erinnert er mich an den deutschen Dichter Georg Büchner, auch er früh vollendet, auch er früh verloschen.
Übertragungen aus Kosovels Muttersprache ins Deutsche transportieren vor allem den Inhalt, weniger die innere poetische Form; so ermöglichte mir erst das spätere Hören und Lesen des slowenischen Originals ein wirkliches Erfassen und Erspüren der Kosovelschen Dichtung in ihrer Leichtigkeit und Lautlichkeit, und ich fühlte mich dann beim Komponieren überraschend sicher in einer Sprache, die ich überhaupt nicht kenne.
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Die inhaltliche Anordnung der fünf Texte (in Wirklichkeit sind es nur vier, da ich das zweiteilige "Smrt" auf zwei verschiedene Stücke verteilt habe) wird vom scheinbaren Gegensatzpaar Tod und Leben bestimmt und beschreibt gewissermaßen die Stationen „Todesbild“ (I.), „das Leben wagen“ (II.), „der Tod mitten im Leben“ (III.), „das leichte Leben“ (IV.) und „erweitertes, transzendiertes Todesbild“ (V.).
Der Expressivität Kosovels versuchen meine fünf Stücke eine eigene expressive Entsprechung zu geben, aber auch entgegenzusetzen; versuchen einen Klangraum zu schaffen, in dem Kosovels Dichtung möglich wird. Äußerlich sind sie durch nur sehr kurze Pausen verbunden, innerlich u.a. durch ein in allen vorkommendes sehnsüchtiges (oder: lebenssüchtiges?) Moment, das die oftmals bedrohliche Expressivität seiner Umgebung kurz aufleuchtend unterbricht (I.), nachbeben läßt (II.) oder vorsichtig schattiert (V.) bzw. das mit klanglicher Härte konfrontiert wird (III.) oder mit dem Höhepunkt einer rauschhaften Entwicklung zusammenfällt (IV.). Zu Beginn entsteht aus vokalen Lauten das artikulierte Wort, am Ende versinkt es wieder in nonverbaler Vorsprachlichkeit: als ob aus ferner Vergangenheit "mitten um Mitternacht" uns etwas in Erinnerung kommt, um darauf wieder in die Tiefe des Innern zurückzutauchen. Die vokale Besetzung von zwei solistischen Frauen- und chorischen Männerstimmen stellt dabei quasi einen zerschlagenen Chor dar, als Sinnbild für eine zerschlagene, zerborstene Welt, als Spiegel von Trennung und Getrenntheit der Geschlechter. So sind Soli und Chor auch zumeist separiert in einem Nacheinander eingesetzt; ein ineinander aufgehendes Miteinander bleibt glückhafte Episode. Mehr oder weniger ausgeprägt sind schließlich alle fünf Abschnitte in Spiegelformen gestaltet (am deutlichsten IV.), wie eine Chiffre dafür, daß Tod und Leben ein Ganzes bilden, sich spiegelbildlich entsprechen.