Bröder bezeichnet sein Pizzflaggliss als persönliches Experiment insofern, als es seine erste Auseinandersetzung mit dem Spielfeld eines elektronischen Studios darstellt. Der Titel seiner 1995 entstandenen Komposition Pizzflaggliss sagt bereits, daß hier die drei Spielarten Pizzicato, Flageolett und Glissando zum Thema erhoben werden. Zum Bereich der kurz artikulierten Klänge zählen leicht gezupfte wie stärker angerissene Pizzicati, außerdem das heftig aufs Griffbrett zurückschnalzende sogenannte Bartók-Pizzicato, und im weiteren Sinne auch die Wurfbogentechnik auf einem Strich, das Ricochet. Mit dem Teilschwingungen erzeugenden Flageolett werden Klangfarben sphärischer Natur hervorgerufen, teils ergänzt durch Reibegeräusche auf der Decke des Violoncellos. Das Element des Glissandierens eröffnet ein weites Feld vom Vibrato über den Triller bis zum in extreme Lagen bezogenen Ton oder auch Tonfeld. Innerhalb der Duobesetzung übernimmt das von Bröder synthetisch erstellte Band meist die Funktion eines Prismas, durch das die profilierteren Klänge des akustischen Cellos vergrößert und deren faßlichere Strukturen in etliche Facetten gebrochen werden. Das Zuspielband gibt dem Cellisten fixierte Zeiten vor, in welchen dieser dann mit zeitlichem Spielraum reagieren kann. Ansonsten sind die Positionen der beiden Klangquellen als gleichberechtigt anzusehen. Es gibt im eigentlichen Sinn weder einen Solist noch ein Begleitband, sondern vielmehr zwei Gegenüber, die sich stellenweise bis zur Verschmelzung annähern, also zumindest ansatzweise eine Art Hyperinstrument ausbilden. Letztlich findet eine Permanentbespiegelung der Duettpartner statt.
Veronika Jezovšek
(Einführung zur Sendung "Streicheln und Schlagen: von der experimentellen Spiellust der 90er Jahre", Hessischer Rundfunk, 7.3.2000)