Seit meinen Kinderzeiten hatte ich Sergej Prokofjews "musikalisches Märchen" Peter und der Wolf nicht mehr gehört, bis es mir vor einiger Zeit wieder zu Ohren kam. Zu meinem Erstaunen bemerkte ich, welche Wirkungskraft dieses Stück auch heute noch auf mich ausübt, und ich war entzückt ob seines Einfallsreichtums und seiner unprätentiösen Herangehensweise. So entstand der nicht unvermessene Wunsch, ein Äquivalent für eine ähnlich überschaubare Besetzung zu komponieren. Und damit das Ziel, etwas zu erarbeiten, das wie das Prokofjew-Stück oder etwa auch Erich Kästners Kinderbücher gleichermaßen Junge wie Alte anzuziehen in der Lage ist, ohne populär-anbiedernde Mittel zu verwenden. Im Grunde scheint es mir angesichts der gegenwärtigen kulturpolitisch-gesellschaftlichen Situation kaum wichtigere neue Stücke zu geben als eben solche.
Nach langer Textsuche fand ich endlich Rudyard Kiplings unkonventionelles, für die eigenen Kinder geschriebenes Das Elefantenkind aus den Just So Stories von 1902, eine leuchtend-klare, ernsthaft-witzige und sich formal in einer Kreisbewegung vollziehende Geschichte eines zum Vorreiter sich entwickelnden Außenseiters, die auf die sonst übliche scheinbar identitätsstiftende Namensgebung der Figuren verzichtet und meinen Vorstellungen einer Musikalisierung zahlreiche Anknüpfungspunkte bot.
Innig mit dem Text verschränkt, variiert nun in Wie der Elefant seinen Rüssel bekam immer wieder das Erzähltempo, wobei die Text-Musik-Relationen durchweg verschiedenartig (simultan oder wechselseitig aufeinander reagierend) gestaltet sind. Die Akteure der Geschichte sind durch ihnen zugehörige Klangchiffren kenntlich gemacht, so daß mein Stück ein dichtes Netz aus bestimmten Instrumenten zugeordneten prägnanten Motiven durchzieht; die Hauptfigur des kleinen Elefanten wird dabei z. B. von der Trompete repräsentiert, oder der Gewinn des Rüssels durch den dann erst ihr fehlenden Dämpfer. Wechselnde Umgebungen und Situationen wirken auf diese Gestalten zurück und verändern damit deren Erscheinung. Auch vor Illustrativem bin ich nicht zurückgeschreckt, legte aber Wert darauf, daß das Musikalische insgesamt sich nicht im Abbildhaften erschöpft, ist doch die Rezeptions- und Abstraktionskraft von Kindern durchaus umfassender.
Kinder mit den Instrumenten des Orchesters vertraut zu machen, scheint mir jedoch im Zeitalter von musikalischer Frühsterziehung und diversester Massenmedien keine hinreichende Motivation mehr für eine solche Komposition zu sein. Als viel wichtiger empfinde ich die Ermöglichung eines aktuellen, beziehungsreichen und uneinholbaren Wort-Ton-Erlebnisses, wie es ja bereits Prokofjew so unnachahmlich und nahezu singulär gestaltet hatte. Und so erweise ich seinem Opus 67 die Reverenz, indem ich Peter gegen Ende meines Stückes kurz aus seinem Versteck hervorlugen und uns zuzwinkern lasse.