Nach Adorno hat sich Heinrich Heines wahres Wesen nicht in der Musik jener zahllosen Komponisten enthüllt, die seine Texte vertonten, sondern erst bei jenem, der ihn nicht vertonte: Gustav Mahler ("Die Wunde Heine", 1956).

5 Heine-Lieder vereint fünf explizit disparate Gedichttypen, die zudem in nahezu chronologischer Anordnung alle Perioden von Heines lyrischer Produktion – vom "Buch der Lieder" bis zum "Romanzero" – umfassen.

Indem das Komponierte den Texten mit ihren oft überraschenden Schlußwendungen vorwiegend eher entgegengesetzt ist, erscheinen diese nun in einer Art von doppelter ironischer Brechung. Dabei werden Singstimme und Klavier kaum mehr als "Melodie und Begleitung" behandelt, sondern gehen in einem "Metainstrument" ineinander auf. Unerwartete Schlußgestaltungen versuchen "heinehaft" den gemeinten, untergründigen Gehalt durchleuchten zu lassen.

Schon daß die Welt so schön sei, wird in Nr. I in keineswegs hellen, sondern resigniert dunklen, dem Text widersprechenden Farben gemalt. Dem in Nr. II vielfach aufgerufenen deutschen Michel ist nicht zu trauen – ihm wird schließlich gar hinterhergerufen. "Flattersinn und Lebensfreude" prägen in Nr. III ein scherzohaft Dahineilendes. Die harmlos holzschnittartigen Zeichen von Nr. IV verzerren sich am Ende in ein Schmerzhaftes. Ausnahmestellung von Nr. V: die Haltungen von Text (für Heinesche Verhältnisse ungewöhnlich ungebrochen) und gefundener Musik decken sich. Dem auch als Grabinschrift im Pariser Cimetière de Montmartre verwendeten elegischen Gedicht entspricht ein langsames, Abschied nehmendes Dahinströmen.