Morbide ist die Lyrik Rilkes gern, so überrascht nicht, daß der Komponist Alois Bröder seine Musik zu Texten des Dichters mit der schlichten Geste des Ersterbens ausklingen läßt: Die Mezzosopranistin bleibt nach 15 Minuten voll satter, gewaltiger, aber auch innig zarter Orchesterfarben allein übrig mit einem einzigen Ton und Rilkes Sprache selbst, die in so einzigartiger Weise Leben und Sterben, Lachen und Weinen in sich vereint. Die Uraufführung von Bröders Lachen. Weinen. Blühen. Vergehen. zu Beginn des 3. Sinfoniekonzerts bleibt im Nachhören das Spannendste an diesem Abend, der jedoch überhaupt nicht mit Spannendem geizte.
Westdeutsche Zeitung, 16.1.2004
Neues, Ungewohntes und Innovatives spielten die Niederrheinischen Sinfoniker unter der Leitung von Kenneth Duryea im dritten Sinfoniekonzert im Seidenweberhaus. Mit Spannung erwartet: die Uraufführung von Alois Bröders Lachen. Weinen. Blühen. Vergehen., einer Musik für Mezzosopran und großes Orchester.
Es ist ein Orchesterlied in der Tradition Mahlers und Schönbergs, das vier Texte Rainer Maria Rilkes als literarische Vorlage nimmt. Die Feststellung Bröders, Rilkes Texte vermögen "Unsagbares zu sagen", setzt er in Töne um. In einen Klang, der von Holzbläsern und Klavier bestimmt ist, tastet sich die Stimme vorsichtig hinein: Nicht Worte stehen am Anfang, sondern eine Vokalise, die sich schließlich in Sprache wandelt. Auf einem Ton rezitiert die Solistin Uta Christina Georg die Ernste Stunde. Das Orchester schafft begleitend eine im großen ruhige Struktur, die von zahlreichen belebten Mikrokosmen durchsetzt ist, vom mezzoforte in Wogen bis zum forte anschwillt; gelegentlich geht die Stimme hierin unter.
Nahtlos vollzieht sich, mit "fallenden" Klängen von Celesta und Bläsern, denen nach oben ziehende hohe Streicher gegenübergestellt werden, der Übergang zum zweiten Gedicht Ich bins, Nachtigall. An Mahler erinnern hier besonders deutlich Melodieführung und Zerrissenheit der begleitenden Motive. Eindrucksvoll und zugleich ein Zirkelschluß ist das Schlußstück, zu dem das Orchester zuckend chromatisch aufwärts rückt. Auch hier nimmt die menschliche Stimme ihren Faden mit wortlosem Summen auf, beendet auf einem Rezitationston das Werk, die letzten Worte vielfach wiederholend. Eine Trommel, die wie zu einem Kondukt den Takt schlägt, deutet an, was der Text sagt: "Der Tod ist groß." Holzbläser, die Rhythmen aufprallender Bälle nachahmen, Celestafiguren, still sich wiederum empor arbeitende Streicher begleiten das Geschehen.
Christian Dijkstal
(in: Rheinische Post Krefeld, 15.1.2004)