Daß Fische keine Knie haben, ist der Titel einer interessanten Neuerscheinung des Heinrichshofen-Verlags. "Nie keine Knie", also die doppelte Verneinung, läßt aufhorchen, schließlich bedeutet dies genau das Gegenteil dessen, was ausgesagt werden soll. Die in diesem Heft (vom Umfang her betrachtet ist es fast schon ein Buch) verwendeten Lieder sind mit Texten von Joachim Ringelnatz unterlegt und so kommt der eigenwillige, unlogische Titel zustande.
Um es gleich vorweg zu sagen: Die Ausgabe verdient eine mehrfache Bejahung. Das ist unverfänglich, denn mehrere Plus kehren sich nicht ins Gegenteil um. Eine Liste mehrerer Pluspunkte soll auf die Ausgabe neugierig machen.

Schon diese Liste zeigt, daß sich die Autoren vieles haben einfallen lassen. Der Praxisbezug ist offensichtlich. Fast hat man den Eindruck, das Buch ließe sich auch ohne Schulwerk als vorläufig alleiniges Lehrwerk verwenden. Ich halte das für denkbar, allerdings muß dann vom Lehrer ausreichendes Material für Erklärungen und für die Einführung von Noten bereitgestellt werden. Ohnehin bemerken die Autoren, ein chronologisches Durcharbeiten sei nicht vorgesehen. Dabei ist es für den Gruppenunterricht ohnehin zu hinterfragen, inwiefern ein Durcharbeiten eines Lehrwerks nach dem Prinzip "Seite für Seite" sinnvoll sein kann. Wichtiger scheint mir, daß man das Material immer wieder unter verschiedenen Aspekten verwenden kann, so wie es aus der oben stehenden Liste hervorgeht. So kann einmal ein gemeinsames Spiel mit wenigen Leersaiten im Anfangsunterricht mit einer Lehrerbegleitung ein Vorspielstück für Anfänger ergeben, später kann ein fortgeschrittenerer Schüler aus den leichten Akkordformen selbst eine Begleitung spielen.
Wenn ich mich unter den Neuerscheinungen umsehe, ist dieses Konzept ein besonders gut gelungener Versuch, zu einer bestehenden Schule eine auf Gruppenunterricht zugeschnittene Sammlung bereitzustellen. Außer im Heinrichshofen-Verlag gibt es Vergleichbares meines Wissens nur bei Ricordi, bei der neuen Langer-Schule bei Doblinger und mit Abstrichen im Schott-Verlag in "Los geht’s" oder AMA. Die vorliegende Ausgabe jedenfalls gehört zu den besten Sammlungen für den Gruppenunterricht. Dezent wird auch der Begriff "Klassenunterricht" genannt, aber das macht für die methodischen Überlegungen keinen Unterschied. Der Gruppenunterricht ist, mit zunehmender Tendenz, selbst bei uns in Österreich die Regel-Unterrichtsform im Anfängerunterricht. Warum das von Seiten der Verlage nicht längst aufgegriffen wurde, ist für mich unerklärbar.

Michael Sieberichs-Nau
www.musikschulwerk-vorarlberg.at
März 2009

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Mittlerweile ist der zweite Band von Fische haben nie kein Knie erschienen; die Schüler sind bereits mit den Stücken des ersten Bandes vertraut und schon fortgeschritten im Zusammenspiel. Nachdem ich den ersten Band anläßlich unseres Literaturtages im November 2008 vorgestellt habe und die Ausgabe mit großem Interesse aufgenommen wurde, bespreche ich gern die Fortsetzung. Auch der zweite Band hält, was der erste verspricht, die Ideen werden grundsätzlich im Sinne des ersten Bandes fortgeführt.
Anders als in einer normalen Instrumentalschule im engeren Sinne ist der vorliegende Band thematisch-inhaltlich geordnet. Eine Chronologie ist mit der Anordnung der Stücke also nicht verbunden. Dafür ist aber jeder Teil und jede weitere Gliederung mit einem Unterrichtsinhalt verbunden. Dies läßt sich am Beispiel leichter erklären als in einer abstrakten Darstellung. Der erste Teil ist mit Spielstücke überschrieben. Darunter stellt man sich zunächst reines Spielmaterial vor, doch weisen die weiteren Überschriften den Weg: Punktierter Rhythmus, Arpeggien, 2/2-Takt, Lagenspiel…
Genau dies ist eine der Stärken des Buches, gleich, ob es als Schule oder als Begleitmaterial eingesetzt wird. Die Inhalte werden auch durch Notationsübungen und weiteres Material ergänzt. Nebenbei ergeben sich für den Lehrer auch die ein oder anderen methodischen Ideen, die sich auch außerhalb des vorliegenden Buches einsetzen lassen. Zur Auswahl der Musik: Neben bekannten Liedern finden sich auch zahlreiche Sätze (oft für drei oder vier Gitarren). Diese sind oft als Stilkopien oder Reflexionen verschiedener musikalischer Stile gedacht und mit entsprechenden Untertiteln ausgezeichnet. Manches ist auch fast experimentell und gerade das gefällt mir an den Sätzen. Schließlich ist die Vermittlung musikalischer und musikgeschichtlicher Kenntnisse ein wichtiges Ziel des Unterrichts und gerade die Vielfalt der Stile konfrontiert den Schüler im Unterricht immer wieder mit neuen Klängen.
Hier ist eine Auswahl von Komponisten bzw. Stilkopien:

Natürlich fehlten auch andere, wohl mehr an den Schülerwünschen orientierte Inhalte nicht. So werden auch hier Lieder zum Singen und Begleiten angeboten. Von all dem ist ausreichend Material vorhanden, so daß jedem Schüler reichlich Material geboten wird.
Insgesamt ist die vollständige Anlage beider Bände ein lebendiger Streifzug durch die Musikgeschichte und unser heutiges Musikleben und bietet einen umfassenden Bestand an Lerninhalten: Die Ausgaben sind unbedingt zu empfehlen!

Michael Sieberichs-Nau
www.musikschulwerk-vorarlberg.at
Mai 2009

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Neben allerhand Spielstücken geben die Teile Akkorde, Rhythmus, Improvisation und Hören zusätzliche Informationen, Aufgaben und Spielmöglichkeiten, die äußerst klug, trickreich und witzig ausgedacht sind. Dies ist nichts für humor- und phantasielose Lehrer, denn dann hieße es: "Publikum noch stundenlang..." – wartet auf Gitarrenklang.

Wieland Ulrichs
(in: Akustik Gitarre 5/2009)

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Fische haben nie kein Knie ist für Gruppen- oder Klassenunterricht ab dem fünften Schuljahr konzipiert. Gegliedert sind beide Bände in je fünf Teile, an den schwergewichtigen Hauptteil mit Spielstücken schließen sich Kapitel zu Akkorden, Rhythmus, Improvisation und Hören an, wobei alles ineinander verzahnt gedacht ist und die insgesamt 160 Seiten nicht chronologisch durchgearbeitet werden wollen. An den Enden beider Bände finden sich zusammengefasst zum Nachschlagen die wichtigsten Daten zu Dynamik, Artikulation, Komponisten und eine Griffbrettübersicht sowie Tabellen, in denen die Hausaufgaben eingetragen werden können.
Gruppen- oder Klassenmusizieren heißt für die Autoren, von der ersten Stunde an zwei-, drei- und vierstimmig zu musizieren. Gestartet wird mit den sechs Leersaiten, sofort kommen die Notenwerte von der Viertel bis zur Ganzen hinzu, Pausenwerte, Akkorde auf den Leersaiten sowie erste Dynamik werden bereits auf den ersten Seiten eingeführt. Auch Kreuze und B's sind gleich dabei, dadurch wird auch der vierte Greiffinger schnell miteinbezogen. Dynamik sowie erste Artikulation ist immer dabei. Auch Übungen zur Notation gibt es, so daß die jungen GitarrenschülerInnen immer über den Tellerrand des bloßen Spielens hinausschauen.
Das Liedmaterial, das Bröder und Schumacher für ihr Lehrwerk komponiert und eingerichtet haben, ist ausgezeichnet. Deutliche Anklänge an zeitgenössische Musik sind überall zu finden, aber auch Organum, Renaissance-Musik und vieles mehr abseits des pädagogischen Mainstreams.
Die Texte von Joachim Ringelnatz sind herrlich: "Lieber Gott mit Christussohn, schenk mir doch ein Grammophon. Bin ein ungezognes Kind, weil die Eltern Säufer sind. Schimpf nicht, weil ich gähne, schenk der Oma Zähne."
Die Stärken dieser Sammlung liegen also unschwer bei der Literaturauswahl, den Arrangements und Kompositionen, dem Erwecken der Experimentierlust (zum Beispiel im Improvisationsteil!), beim Prinzip der durchgängigen Mehrstimmigkeit, dem behutsamen Einführen von neuen Tönen und den Texten.
Kleinere Schwächen lassen sich allerdings auch finden. Unklar ist etwa, warum das fis' auf Seite 13 vorgestellt wird, aber erstmals auf Seite 17 Anwendung findet. Der Wechselschlag p-i kommt erst auf Seite 40 des zweiten Bandes, während der kompliziertere Arpeggioanschlag p-i-m-a bereits zu Beginn des zweiten Bandes eingeführt wird. So ergeben sich Fragen, die aber jede erfahrene Gitarrenlehrkraft unter Einbeziehung entsprechender Literatur oder durch Umstellen der Reihenfolge beantworten wird. Und vielleicht wären ein paar weitere Bilder, gerne aus Ringelnatz' Feder, schön und würden zur Auflockerung beitragen.
Eine sehr gute, drucktechnisch vorbildliche, pädagogisch und musikalisch professionell gemachte Neuerscheinung.

Uwe Sandvoß
(in: Üben & Musizieren 3/2011)

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