Da erschien ein Angebot des Darmstädter Komponisten Alois Bröder wie gerufen. Die Idee seiner 18 Signale für Orchester, eines Auftragswerks für das Philharmonische Staatsorchester Mainz, war so einfach wie genial. Vor Beginn des Konzerts und nach der Pause sollte das Orchester bei geöffneten Saaltüren die Zuhörer mit einem Signal in den Zuschauerraum locken und das Stück dann noch einmal vor versammeltem Publikum wiederholen sozusagen im gleitenden Übergang vom Lockruf zur Einstimmung. Je zwei "Signale" für ein Konzert sind paarweise verbunden und aufeinander bezogen. Die kompositorische Gratwanderung zwischen reiner Funktionalität und künstlerischem Anspruch hat Bröder, nach dem bisher uraufgeführten Drittel zu urteilen, überzeugend bestanden. Ganz im Sinne des Saisonmottos gelingt es ihm, das Signalhafte mit dem Poetischen zu verbinden. Jeder weiß: Danach geht es los. Wer will, kann und darf vorher schon zuhören. Dazu lädt allein schon die Korrespondenz zwischen den beiden Signalen ein.
Die passende Zuordnung bleibt eine Herausforderung für die Programmplanung, denn die 18 Signale wurden nicht speziell für die aktuelle Mainzer Saison komponiert, sondern sind vielseitig verwendbar. Die Mainzer Dispositionen bedingten in einem Fall eine nachträgliche Justierung durch den Komponisten. Für das kleiner besetzte 8. Sinfoniekonzert musste Bröder die Orchesterbesetzung reduzieren. Auch akustisch klappte nicht alles wie geplant: Damit im gut abgeschirmten Foyer des Mainzer Großen Hauses überhaupt etwas zu hören ist, müssen die "Signale" bei der Generalprobe aufgenommen und dann an Stelle der Pausengongs über Lautsprecher eingespielt werden. Das wirkt etwas undeutlich im Klang und weniger stimmungsvoll als intendiert, beschreibt aber immer noch die Spanne zwischen äußerem und innerem Eintreffen. Daß man mit diesem Problem schöpferisch umgehen kann, ist selbst ein wichtiges Signal.
Andreas Hauff
(in: nmz online, 10.12.2009)
vollständiger Text: hier
Wenn bei den sommerlichen Weilburger Schloßkonzerten die Pause sich dem Ende zuneigt, sieht man dort beschäftigte Schüler des örtlichen Gymnasiums mit Gongs durch den Schloßgarten gehen, die optisch und akustisch die Besucher zu den Plätzen zurückrufen. In Konzertsälen und Theatern sind es in der Regel elektronische Gongs oder Klingelzeichen. Im Staatstheater Mainz jedoch werden die Besucher neuerdings mit einer fröhlichen "Kakophonie" überrascht. Der Begriff ist keineswegs abwertend gemeint: Die Mainzer Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt hat den Darmstädter Komponisten Alois Bröder beauftragt, 18 kurze, jeweils ein bis zwei Minuten beanspruchende "Signale für Orchester" zu komponieren, die, über Lautsprecher abgestrahlt, Konzertbeginn sowie Pausenende ankündigen und anschließend vom Philharmonischen Staatsorchester Mainz bei seinen Konzerten auch live gespielt werden. Es sind prägnante, harmonisch reiche, ungemein wendige, partielle dissonante Aufgipfelungen nicht scheuende Klangperlen von großer Eigenständigkeit, mit dem Thema des Abends also nicht verbunden.
Harald Budweg
(in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.9.2009)
Eine ungewöhnliche, aber einleuchtende Idee verfolgt Catherine Rückwardt, die Intendantin und Generalmusikdirektorin des Philharmonischen Orchesters Mainz, in ihren Sinfoniekonzerten der laufenden Spielzeit: Die Pausengongs, die das Publikum zu Beginn und nach dem ersten Teil eines Sinfoniekonzerts wieder auf seine Plätze zurückrufen sollen, werden durch kurze, gut einminütige Stücke ersetzt, die das Orchester eingespielt hat und die zunächst in den Foyers über Lautsprecher erklingen. Im Saal, im Großen Haus des Staatstheaters Mainz, werden sie dann vor dem Publikum vom Orchester live gespielt. Für jedes der neun Sinfoniekonzerte wurde der Darmstädter Komponist Alois Bröder vom Mainzer Orchester beauftragt, jeweils zwei neue Stücke zu schreiben, so daß insgesamt 18 "Signale" entstehen, wie der Musiker seine aphoristisch kurzen Werke genannt hat.
Sie nehmen keinen Bezug zum jeweiligen Konzert, sondern sind für sich stehende Stücke, die jedoch keinen zusammenhängenden Zyklus ergeben, wie der Komponist meint. Vor dem Konzert und in der Pause nimmt man diese Signale nur wahr, wenn man sich in den schlauchartigen Gängen befindet, die in Mainz in den Zuschauerraum führen; im großen Foyer geht es einfach zu laut zu. Noch nicht einmal der massive Anfangsakkord des zweiten "Signals" ist bei dem Lärmpegel des Palavers der Menschen deutlich zu hören. Zum Glück werden sie dann im ersten Sinfoniekonzert am Freitag und Samstag sind es die "Signale" Nr. 1 und Nr, 2 drinnen vom Orchester unter der präzisen Leitung der Dirigentin Catherine Rückwardt gespielt. Und jetzt vernimmt man, wie zielgerichtet gebaut und glänzend orchestriert diese gestenreichen Stücke sind, die sich wie Ausrufezeichen gebärden, Rufe, Anrufungen gleich, die sich aufblähen, aufplustern und wie gebündelt auf einen finalen Kulminationspunkt zulaufen besonders markant im zweiten "Signal" nach der Pause des ersten Konzertteils, wobei der Schlußpunkt wie mit der Axt gesetzt ist, um das Stück zerschmetternd abzubrechen, während das erste "Signal" auf dem Ton A endet wie zur Einstimmung, im Gegensatz zum Beginn im Ungefähren. Kurz, aber schlagend raffiniert klingen diese Stücklein und wirken unmittelbar. Fremde Zuhörer sprechen den Komponisten an und bekunden, wie gut es ihnen gefallen hat. Die Stücke machen Lust auf mehr und bewirken vielleicht auch bei Bröder, doch mehr für großes Orchester zu schreiben, zumal dieser fantasievolle Komponist raffiniert mit dem Instrumentarium des Orchesters umzugehen versteht.
In Catherine Rückwardt hat er gewiss eine energische Fürsprecherin, die beim Dirigieren intensiv mitgeht und die dramatischen Akzente und Kulminationspunkte mit ihren Gesten, mit dem Kopf und mit ihren Mundbewegungen mitzuformen scheint.
Eine Saisoneröffnung hat meist Signal-Charakter. Für das erste Symphoniekonzert des Philharmonischen Staatsorchesters galt das doppelt. Es erklangen die beiden ersten der 18 Signale für Orchester, die der Darmstädter Komponist Alois Bröder für diese neun Konzerte kreiert hat.
Die Idee der "Signale" ist so einfach wie genial. Vorm Konzert und nach der Pause sollte das Orchester bei geöffneten Türen die Zuhörer in den Zuschauerraum locken und die Stücke dann erneut vor Publikum wiederholen. Doch damit im akustisch gut abgeschirmten Foyer des Großen Hauses etwas zu hören war, mußten "Signal 1 und 2" aufgenommen werden. Dumpf und etwas klirrend kamen sie dann aus dem Lautsprecher.
Aber vielleicht steigerte dies die Neugier: Zweimal war ein einminütiges Miniaturdrama zu erleben, das sich in nervösem Pulsieren auf einen Krisenpunkt hin bewegte und danach in freundlicherer Atmosphäre ausklang. Doch während im ersten Stück kurze fanfarenartige Motive aufwärts führten, war die melodische Richtung nach der Pause umgekehrt. In beiden Fällen erfüllte sich der Sinn: Das Publikum war eingestimmt und Orchester warmgespielt.
Andreas Hauff
(in: Mainzer Rhein-Zeitung, 21.9.2009)
Auch diesmal gab es vor jeder Konzerthälfte ein musikalisches Signal von Alois Bröder. Das erste, länger und fanfarenartig, verwies schon auf den zweiten Teil des Abends, während das zweite, kürzer und eher statisch, an den ersten Teil erinnerte. Eigentlich eine reizvolle Überkreuz-Konstellation, aber als Einstimmung auf die "Poèmes pour Mi" weniger günstig.
Andreas Hauff
(in: Mainzer Rhein-Zeitung, 19.10.2009)
Mit modernen, zupackenden, ja aggressiven Klängen eröffnete das Signal Nr. 17 von Alois Bröder das letzte Symphoniekonzert dieser Saison im Staatstheater. Doch wer genau hinhörte bemerkte hier und bei Nr. 18 nach der Pause einen leisen, freundlichen, fast romantischen Nachklang. Der wirkte, als ob es noch einmal darum ginge, die Botschaft der ganzen Konzertspielzeit zu unterstreichen: Der von der Gegenwart überwältigte Verstand, so hat es GMD Catherine Rückwardt ungefähr formuliert, braucht die Musik, um sich neu zu sortieren.
Andreas Hauff
(in: Mainzer Rhein-Zeitung, 5.7.2010)
Diesmal gab sich die Moderne bescheiden als Gebrauchsmusik (???AB) und ersetzte den Pausengong. Als Auftragswerk für Mainz hat Alois Bröder "18 Signale für Orchester" geschrieben. Die ersten beiden Miniaturen waren jeweils zu Beginn der beiden Programmhälften als Uraufführung zu hören - zunächst im Foyer über Lautsprecher eingespielt, um das Publikum auf die Plätze zu rufen, und dann vom großen Orchester als Einspielstück vorgetragen.
Bröder ist bekannt dafür, seine Kompositionen durch exzentrische Titel zu verdeutlichen (???AB). So hat er "Im Irrenhaus" für Tonband, "Blumen legen" für Bläser oder "Kern.Spalte" für Blockflöte und Gitarre komponiert. In seinen beiden "Signalen" nutzt er das gesamte Orchester zu wild auffahrenden Attacken und hebt filigran einzelne Instrumente hervor, als würden sie sich dem Hörer vorstellen. Dann wieder zitiert er das typische Klanggewirr, das beim Stimmen der Instrumente entsteht (???AB).
Siegfried Kienzle
(in: Allgemeine Zeitung Mainz, 21.9.2009)