Wie kann Musik von Abschied sprechen? Wie kann sie überhaupt sprechen? Vermag sie dies ohne Bezug auf das Überkommene? Gibt es Urgestalten, Urtopoi des Ausdruckes tiefer Empfindungen? Sind jene, so sie existieren, überhaupt noch form- und transportierbar? Und inwieweit hört ohnehin jeder nur sich selbst? Darf man sich im 21. Jahrhundert solchen Gegenständen widmen, ohne das musikalische Material umstürzend verändern zu wollen (ginge dies – rezipierbar – überhaupt noch?)? Darf man längst dekodierte Gesten der Sehnsucht und die Unmittelbarkeit des Schreies einlassen? Wo ist die Grenze zwischen Berührt- und Zurückgestoßenwerden? Und inwiefern tangiert all solches das Ohr des unerfahrenen und des kundigen Hörers?

ADAGIO setzt sich im Überdruck des Innern solcherart Fragestellungen bedingungslos aus. In rondeauartiger Geformtheit wechselt das nahezu halbstündige Stück zwischen wuchtig-eruptiven – zuweilen gar katastrophischen – und von Mal zu Mal näher rückenden, zerbrechlich-espressiven Teilen, wobei das zentrale Intervall der Quarte wie auch eine deutlich umrissene Motivik die verschiedenen Abschnitte einander verbinden. Ein Spiel von Ferne und Nähe, ein Fortschreibversuch großer langsamer Sätze, eine Bemühung um das noch ein Mal letzte Mal. Versöhnlich und ruhevoll endet dann ein kontrastreich Verklammertes, wie beim Wiedersehen nach einem langen schweren Getrenntsein, im Sehnen, daß die Welt wieder heil sei.