Höhepunkt des Abends war die Uraufführung der Komposition Sredi Polnoči/Mitten um Mitternacht – für Sopran, Mezzosopran, Männerchor und Orchester von Alois Bröder. In dem Stück spürt man die Harmonie des Autors mit dem slowenischen Dichter Srečko Kosovel, denselben Puls, denselben Gedanken- und Formbogen, welcher die ganze Komplexität des dichterischen Ausdrucks spiegelt, der vom Expressionismus bis hin zum neuen Romantizismus und Konstruktivismus reicht. Ähnlich, jedoch außerordentlich faßlich, wirkt auch die eigentliche musikalische Struktur von Bröders Werk. Der Komponist behandelt die menschliche Stimme funktionell als Musikinstrument und verwischt so mit der Sensibilität des Zeitgenossen die Grenzen zwischen dem Natürlichen und dem Artefakt. In seiner Musik sind die menschliche Stimme und der Klang des Instruments eng aufeinander bezogen, so daß Solisten, Chor und Orchester zu einer Einheit verschmelzen. Die Uraufführung des Zyklus' Sredi Polnoči/Mitten um Mitternacht hinterließ prägende Eindrücke; dazu trugen auch der gut vorbereitete männliche Teil des RTV Slovenija Kammerchors, die technisch zuverlässige und ausdrucksklare Wiedergabe der Solistinnen – der Sopranistin Andreja Zakonjšek und der Mezzosopranistin Mirjam Kalin – und das ausgewogene Spiel des Orchesters bei, die unter dem Taktstock von Lior Shambadal eine musikalisch überzeugende Botschaft vermittelten.

Stanislav Koblar
(
www.finance-on.net, 21.5.2003)
Übersetzung aus dem Slowenischen: Ziva Voga