Alois Bröders 6 neue MÄRZ-Gedichte nach Heinar Kipphardt sind grundsätzlich verschiedene vitale Charakter-Miniaturen, in denen der Darmstädter Komponist nicht allein virtuose Stilistik demonstriert. Die Texte, musikalisch subtil ausgedeutet, gewinnen in der Vielfalt dieser Beleuchtung dramatischen Zuschnitt, der das Verhältnis (künstlerisches) Individuum und (psychisch kranke) Gesellschaft ironisch zur Disposition stellt.

Michael Neuner
(in: Frankfurter Rundschau, 16.3.1999)

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Beeindruckend vertonte der 1961 geborene Alois Bröder März-Gedichte von Heinar Kipphardt. Und dem Ensemble Phorminx, diesmal mit der vorzüglichen Sopranistin Carola Schlüter, gelangen am Dienstag im Tübinger Sudhaus eindringlich-angemessene Interpretationen. Bröder arbeitet seit einigen Jahren daran, Kipphardts vier Fassungen vom "Leben des schizophrenen Dichters Alexander März" eine fünfte hinzuzufügen, Musiktheater.
Mit der (unfreiwilligen) Distanz des psychotischen Künstlers zur äußeren, scheinbar festgefügten Realität kann die Wahrnehmungskraft wachsen. Bröder gelingt es, die Intensität der lyrischen Gebilde kompositorisch noch einmal zu steigern. Fast schmerzhaft beginnt Die Wüste ("Eisklapp die Stumme Sandweit war"); ein trügerisch-simples Vierton-Motiv leitet den Sechszeiler übers Anstalts-Geschehen ein (A 5, Saal 6) und einfallsreich werden parodistische Schostakowitsch-Verfahren von Bröder weiterentwickelt für Das Leben.
Ein großes Schlagzeugarsenal, inklusive Marimba (Bernd Mallasch), Violine (Peter Zelienka) und Cello (Wolfgang Lessing), Flöten (Angelika Bender) und Klarinetten (Thomas Löffler) ermöglichten Bröder orchestrale Farb- und Klangwirkungen. Sängerisch-musikalisch verlebendigte Carola Schlüter den kargen Dreizeiler Wenn wir Wasser wären.

(Schwäbisches Tagblatt Tübingen, 18.3.1999)

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